Zuletzt war es in Patentverletzungsverfahren gängige Praxis deutscher Gerichte, eine einstweilige Verfügung gegen den potentiellen Patentverletzer nur unter besonderen Umständen zuzulassen, also Maßnahmen gegen einen potentiellen Patentverletzer zu ermöglichen, noch ehe in der Hauptsache auf eine Patentverletzung entschieden wurde. Insofern sind die für Patentverletzungsverfahren zuständigen deutschen Landgerichte im Wesentlichen der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf gefolgt, dergemäß ein Patent ein Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden haben oder sich auf eine umfassende Lizenzierung berufen können sollte, ehe es die Grundlage für einen einstweiligen Rechtsschutz darstellen könne.
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Nach Auffassung eines Verletzungsrichters des Landgerichts München verstieß diese Auslegung jedoch gegen Europäisches Recht, so dass sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dieser Frage zu befassen hatte. Konkret ging es im vorliegenden Fall um ein Patentverletzungsverfahren auf Grundlage eines erst seit Kurzem erteilten Europäischen Patents, das mithin noch gar kein Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren hätte durchlaufen können, zumal entsprechende Verfahren mitunter mehrere Jahre dauern. So wurden insbesondere Bedenken dahingehend geäußert, dass der Patentinhaber aufgrund des fehlenden vorläufigen Rechtsschutzes mögliche Verletzungen seines Patents während der Dauer eines langwierigen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens hinnehmen müsse, ohne sich dagegen zur Wehr setzen zu können.
Der EuGH hat in der zugehörigen Rechtssache C‑44/21 nunmehr am 28. April 2022 entschieden, dass deutsche Gerichte in Patentverletzungsfällen auch dann eine einstweilige Verfügung erlassen können, wenn ein die Grundlage für das Verletzungsverfahren bildendes Patent noch kein Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat. Vielmehr soll bereits die Erteilung des Patents ausreichend sein.